Das traumhafte und stabile Wetter machte die Tour von der Bietschhornhütte über das Bietschjoch-Wilerjoch und den Nordostgrat auf das Wilerjoch 3306m zu einem perfekten Unternehmen. Nach einer angenehmen Nacht in der urtümlich erhaltenen kleinen Bietschhornhütte machten wir 5 (Erich und Heidi Altermatt, André Berger, Janin Ambühl und Guido) uns frühmorgens auf. Der Weg in das Bietschjoch ist hervorragend mit weissen Markierungen versehen, die gut sichtbaren Fussspuren helfen in Dunkelheit mit Stirnlampe den Weg leicht zu finden. Frühmorgens um halb sieben im Bietschjoch angelangt wechselten wir von den reichlichen Spuren zum Westgrat des Bietschhorn auf belassenes und unberührtes Gelände. Über den sanften beinahe keine Spalten aufweisenden Bietschgletscher ging es zügig, schattig ins Wilerjoch wo uns die Sonne wärmte für die Gratkletterei. Schnell wurde klar, dass die Kletterei auf das Wilerhorn bedeutend mehr Zeit in Anspruch nehmen wird als die im Tourenführer angegebenen Dreiviertelstunden! Vom Wilerjoch ging es genüsslich über gutes Gehgelände, bevor auch schon die klettertechnisch schwierigste Stelle in Form eines senkrechten Kamines wartete. Von da ging es einmal auf dem schmalen Grat, in festem Fels mit schönen Kletterstellen einmal in die Nordflanke ausweichend in horriblem SBB Schotter, immer sehr abwechlungsreich, immer am kurzen Seil bis zum Gipfel. Da es beinahe keine Spuren gab ist ein guter Spürsinn für die richtige Routenwahl zwingend.
Die Hüttenwarten erwähnte wohl auch daher ob wir als Gruppe bereits schon solche Touren gegangen sind. Die Tour ist bis zum Gipfel nicht schwer, jedoch muss engagiert immer gegangen werden. Auf dem Gipfel angekommen bietet sich eine grandiose Weitsicht auf die umliegenden Gipfel. Bei prächtigem Nachmittagssonnenschein machten wir uns auf den Abstieg welcher mit L in der gängigen Führerliteratur bewertet wurde. Ungefähr die Hälfte des kurzen Weges hinunter in die Lücke vor dem Gletscher muss in ganz schöner Kletterei abgeklettert werden. Der Fels ist hier griffig und bombenfest. Das in Zeiten Gletscherschwund gewisse Passagen definitiv einem Neubau gleichen sahen wir hier auch deutlich. L kann somit mit L wie Listig umschrieben werden, da sich die letzten 30 Meter hinunter auf den Gletscher so verändert haben, dass hier zwingend abgeseilt werden muss. Auch der Zugang zum Abseilstand ist suboptimal, da sehr loses Geschiebe in absturzgefährdetem Gelände. Ohne den Abseilstand an der Schlinge wäre uns nichts anderes übrig geblieben als den Umweg über die Jolilicke zu gehen, da von dort der Zugang zum Gletscher bedeutend einfacher ist. Die Abseilstelle erlaubte uns schnell auf dem Gletscher zu sein und auf dem mit gut begehbaren, tragenden verfirnten Schnee rasch das Jolital abzusteigen.
Dass die Südtäler der südlichen Berner Alpen lange sind erinnerte uns, als wir immer wieder Stunden vom Bahnhof in Hohtenn entfernt waren. Doch schlussendlich um 18.00 gelangten wir zu unserem Endpunkt der langen, einsamen aber landschaftlich überwältigenden Tour. Schön, dass solche Touren gemäss der Hüttenwartin in den letzten Jahren wieder vermehrt begangen wird. Ca. 6 Seilschaften waren es seit Sommer 2023, ohne Skitourenbegehungen. Im Bistro des Regioexpress verköstigten wir uns während der Heimfahrt und genossen die schnelle Beförderung zurück aus dem Wallis.
Vom Gipfel hatten wir bereits ein nächstes Tourenziel für 2024 im Auge. Ein vielbeganger 3000m aber auf einem selten begangenen Anstieg. Das Wallis ist ein Paradies von wunderschönen Tourenzielen.
Guido, TL
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